Gutes Wasser für alle

Gutes und sauberes Wasser zu haben, war für die Einwohner von Illmensee bis zum Jahr 1902 ein Luxus. Das klingt paradox für einen Ort, der am Ufer eines Sees gelegen ist. Doch war das Oberflächenwasser aus Illmensee und Andelsbach von schlechter Qualität, und geeignete Quellen waren nicht ausreichend erschlossen.

Der Pfarrbrunnen stürzt ein und wird zugeschüttet

Als im Jahr 1819 der Pfarrer Anton Geser die Pfarrei in Illmensee übernahm, war der Brunnen im Pfarrhof die einzige öffentlich zugängliche Wasserquelle im Ort. Er war mit einer Pumpe versehen. Wer nicht zu den wenigen Glücklichen gehörte, die auf ihrem Grund einen eigenen Brunnen besaßen, konnte dort sein Wasser holen.
Doch währte dieser Zustand nicht mehr lange: Bei einer Reparatur des Pfarrhauses stürzte der Pfarrbrunnen ein und wurde seiner Baufälligkeit wegen zugeschüttet. Über Jahre hinweg blieb der Brunnen unbenutzbar.

Zeichnung des Pfarrhauses von Illmensee mit Brunnen, Ausschnitt aus einer alten Postkarte
Diese Zeichnung des Illmenseer Schulhauses stammt von einer Postkarte aus dem Jahr 1902. Vor der großen Tür ist der hohe Schwengel des Brunnens zu sehen, der in den 1820er Jahren zugeschüttet wurde.

Eigentlich wäre es nun an den Verantwortlichen des Heilig Geist Spitals zu Pfullendorf gewesen, Abhilfe zu schaffen: Sie waren die Zehnt- und Grundherren von Illmensee und als solche verpflichtet, den Pfarrbrunnen zu erhalten. Doch sie interessierten sich wenig für die Nöte der Dorfbewohner und des Pfarrers.

Blick auf das Illmenseer Pfarrhaus mit dem Platz, auf dem ehemals der Brunnen stand. Foto: Christiane Wachsmann, 2022
Blick auf das ehemalige Schulhaus (links) von Illmensee im Jahr 2022. Vor dem jetzt verglasten großen Tor stand bis vor 200 Jahren der Pfarrhausbrunnen. Das Pfarrhaus selbst steht rechts. Foto: Christiane Wachsmann

Ausgehöhlte Baumstämme

Erst 1833 gelang Pfarrer Gesers Nachfolger Fidel Frey, die Spitalverwaltung zur Einrichtung eines neuen Brunnens zu bewegen. Um die Qualität des Wassers zu verbessern, sollte es nicht mehr mehr mit einer Pumpe aus der Tiefe geholt werden, sondern von einer Quelle an der Berghalde kommen, die zu diesem Zweck gefasst wurde. Von dort aus wurde das Wasser über eine Strecke von 850 Metern durch hölzerne „Deicheln“ zum Pfarrhof geleitet.

Für ihre Herstellung stellte das Spital rund 70 Tannen- und Föhrenstämme zur Verfügung. Sie wurden ausgehöhlt und so tief in der Erde vergraben, dass sie beim Pflügen nicht beschädigt werden konnten.

Während auf diese Weise die Versorgung der Bevölkerung mit frischem Wasser sichergestellt war, machte sich über das Abwasser niemand Gedanken. Zusammen mit dem Regenwasser floss es durch offene Gräben, die entlang den Häusern liefen, in den Andelsbach, in den Illmensee oder in Senkgruben, gemischt mit dem Gülle und dem Müll aus den Häusern.

Zu wenig Wasser im Brunnen

Bereits 1846 waren umfangreiche Reparaturarbeiten an der Leitung zum Pfarrbrunnen nötig. Das kalkhaltige Wasser hatte die Innenwände der Holzrohre zugesetzt, so dass immer weniger Wasser hindurchfloss. 128 Deicheln mussten ausgegraben, erneut durchbohrt und wieder verlegt werden. Auch die Quelle musste neu gefasst, die eichene Wassersäule ersetzt werden.

Damit war zwar das Pfarrhaus wieder mit genügend Wasser versorgt, allerdings nicht für lange. Als 1853 der neue Hauptlehrer Andreas Schwarz nach Illmensee kam, stellte er fest, dass die Schule weder einen Brunnen noch überhaupt einen Wasseranschluss hatte. Den wenig Meter entfernt liegenden Pfarrhausbrunnen durften Lehrer und Schulkinder anscheinend nicht nutzen. Das lag möglicherweise daran, dass dort nach wie vor zu wenig Wasser für alle ankam und Pfarrverweser Johann Baptist Bertsche befürchten musste, selbst nicht mehr genug Trinkwasser mehr zu haben.

Neue Quelle und neue Niesnutzer

Dieser Johan Baptist Bertsche schloss daraufhin einen Vertrag mit der Gemeinde: Sie verpflichtete sich, neue Quellen zu finden und dem Zehntbaukostenfonds der Pfarrei jährlich fünf Gulden Brunnenzins zu zahlen. Dafür überließ der Pfarrer das entbehrliche Wasser der Schule und weiteren Gemeindemitgliedern. Tatsächlich fand sich eine weitere Quelle an der Berghalde.

Sie wurde mit der anderen zusammengefasst und eine neue Brunnenstube für beide gebaut. Zimmermeister Georg Linsenbold reparierte außerdem die Wasserleitung: Zwölf Jahre nach der letzten umfassenden Reparatur mussten 130 von 171 Deicheln ausgetauscht, die übrigen frisch verlegt werden — alles auf Kosten der Gemeinde, die sich auch später immer wieder an der Instandhaltung der Brunnenanlage beteiligte.

Warum eigentlich sollte sie darüber hinaus die fünf Gulden für die Nutzung des Wassers durch die Schule bezahlen? Diese Überlegung führte vom Jahr 1875 dazu, dass die Gemeinde diese Zahlung einstellte. Der inzwischen amtierende Pfarrer Eduard Mattes wollte sich das nicht gefallen lassen und wandte sich an das Bezirksamt in Pfullendorf mit der Bitte, den Vertrag von 1858 aufzulösen. Doch das Amt stellte sich auf die Seite der Gemeinde. Die Schule durfte den Pfarrhausbrunnen weiterhin nutzen.

Der „dermalige kirchenfeindliche Hauptlehrer“

Dieser Vorgang zeugt von dem neuen Selbstbewusstsein, mit dem die örtliche wie die staatliche Verwaltung der Kirche gegenüber auftraten. Jahrhundertlang war der Pfarrer geistiger Führer und oberste Instanz in allen weltanschaulichen Fragen innerhalb des Kirchspiels gewesen. Nun erwuchs ihm eine ernstzunehmende Konkurrenz in Person des Lehrers Andreas Schwarz, der sich für die sozialen Belange der Menschen einsetzte und dabei von Teilen der Gemeinde unterstützt wurde.

In einem Bericht an das erzbischöfliche Ordinariat in Freiburg wirft Pfarrer Mattes 1892 dem „dermaligen kirchenfeindlichen Hauptlehrer“ vor, dass „derselbe alle Hebel in Bewegung setzt, um den Pfarrer zu vertreiben, und eine kirchenfeindliche Partei großzieht, welche durch einen unchristlichen Wandel dem Unkraut gleicht, das den guten Weizen überwuchert“.

Dabei wusste der Pfarrer in seiner Bedrängnis anscheinend kein anderes Mittel, als die Nutzung des Wassers aus dem Pfarrhausbrunnen zu fordern: „Vielleicht würden gewisse Leute, welchen er zu schmeicheln versteht und welche die Schuld tragen, dass er noch hier ist (…) wegen des materiellen Nachteils gegen den Lehrer Front machen, wenn ihnen für die Zeit seines Aufenthaltes das Wasser entzogen würde und ihnen durch Graben eines eigenen Brunnens, große Kosten erwachsen würden.“

Im Machtkampf zwischen Lehrer und Pfarrer behielt Andreas Schwarz die Oberhand: Eduard Mattes verließ schließlich Illmensee. Die Gemeinde zahlte von nun an wieder ihren Beitrag zum Erhalt des Pfarrbrunnens, zumal ein Teil der hölzernen Deicheln inzwischen durch gusseiserne Rohre ersetzt worden waren.

Eine neue Wasserleitung

Doch auch die eisernen Rohre hielten nicht, was man sich von der modernen Technik versprochen hatte: Sie setzten sich ebenfalls mit Kalk zu, genau wie die hölzernen Deichel, die darüber hinaus nach einigen Jahren zu faulen begannen. Immer wieder musste neu gegraben, die Leitung ausgebessert werden. Dennoch kam im Pfarrbrunnen selten genug Wasser an: Während des Sommers floss es nur tageweise, im Winter überhaupt nicht mehr. Genau wie die meisten anderen Bewohner von Illmensee musste der Pfarrer dann mit dem Seewasser vorlieb nehmen. Die wenigen Gemeindemitglieder, die eigene Brunnen besaßen, gaben nur ungern Wasser ab – und das war oft mit Jauche vermischt, genau wie das Wasser des Andelsbaches.

1898 entschloss sich die Gemeinde, eine Wasserleitung zu bauen. Diesmal ging man die Sache systematisch an: Zunächst einmal wurde über mehrere Jahre hinweg die Ergiebigkeit sämtlicher Quellen an der Berghalde gemessen. Neben der Pfarrquelle wurden noch zwei weitere Quellen ausfindig gemacht, die zusammen genug Wasser für eine kontinuierliche Versorgung aller Gemeindemitglieder ausschütteten.

Im Jahr 1902 erhielt jedes Haus in Illmensee einen Anschluss an die neue gusseiserne Wasserleitung und wurde auf diese Weise mit frischem Quellwasser versorgt. Die Kosten dafür wurden auf die einzelnen Haushalte umgelegt; außerdem nahm die Gemeinde einen Kredit über 30.000 Mark auf, den es über mehr als 40 Jahre abzuzahlen galt. Der Inflation nach dem ersten Weltkrieg ist es wohl zu verdanken, dass die Zahlungen schon nach zwanzig Jahren eingestellt werden konnten.

Recherchen: Olaf Brandt
Text und Redaktion: Christiane Wachsmann
Beitragsfoto: Josef Hofmann
Ein ausführlicherer Bericht findet sich in dem Buch „Illmenseer Erzählungen. Geschichten von Jung und Alt“.

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